ANELi
ANELi
276 Seiten.
Erschienen am 11. September 2022.

Erhältlich als Taschenbuch oder Ebook, bei:

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Kapitel 1

Mitten in der Nacht wird Freyalina aus dem Schlaf gerissen, als einige Männer ihre Wohnungstür eintreten und direkt in ihr Schlafzimmer eindringen. Durch den Lärm, den diese Männer verursachen, werden auch ihr dreijähriger Sohn Clais und ihre erst zwanzig Monate alte Tochter Naaja aufgeweckt. Beide Kinder schreien und kreischen, während sie mit ansehen müssen, wie ihre Mutter von den Männern an den Haaren aus dem Bett und aus der Wohnung geschleift wird.

Die Männer zerren Freyalina durch das Treppenhaus auf die Straße, reißen ihr das Nachthemd vom Leib, sodass sie splitternackt vor ihnen steht, dann schneiden sie ihr alle Haare ab und rasieren ihren Schädel vollkommen kahl. Danach binden sie Freyalina an einen Laternenpfahl und hängen ihr ein Schild um den Hals mit der Aufschrift: „moffen huppelkutje“. Danach sind die Männer genauso schnell, wie sie gekommen sind, wieder verschwunden und sie lassen Freyalina zitternd und frierend auf der Straße zurück.

Durch Freyalinas Hilferufe und das Geschrei der Kinder aufgeweckt kommen einige Männer auf die Straße und umringen den Laternenpfahl, an dem Freyalina gefesselt ist, keiner von ihnen unternimmt jedoch irgendetwas, um ihr zu helfen, stattdessen verhöhnen sie Freyalina noch weiter: „Geschieht dir ganz recht,  afgelikte Duitse boterham“.

Erst die Frauen, die nach einer Weile auch noch hinzu kommen, binden Freyalina von dem Laternenpfahl los, doch auch sie sind ihr nicht sehr freundlich gesinnt: „Wir machen das nicht für dich, moffen trut, wir machen das nur für deine Kinder, also hau bloß ab zu deinen Kindern, bevor unsere Männer noch einen Ständer kriegen.“

All dies geschah Mitte November 1918 in Moscou, einem Arbeiterviertel von Gent, der zweitgrößten Stadt und heutigen Hauptstadt Flanderns. Doch es ist  natürlich nicht der Anfang dieser Geschichte, vielmehr nahm all das seinen Anfang im Jahre 1888 mit der Geburt von Lieven, dem späteren Ehemann von Freyalina, der Göttin der Fruchtbarkeit.

Lieven, der am 30.12.1888 geboren wurde, erhielt diesen Namen nach dem Heiligen Livinus von Gent, weil seine Eltern sehr stolz auf ihr Heimatland Flandern und insbesondere auf ihre Heimatstadt Gent waren, sodass es nicht verwunderlich ist, dass auch Lieven später sehr nationalbewusst wurde. Also nun mal von Anfang an.